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Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie

Do 9. Apr. 2020 | Staatsmedien

© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 – 041/20Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Sachstand Wissenschaftliche Dienste

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines sei-ner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasse-rinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeit-punkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abge-ordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, ge-schützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fach-bereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 041/20 Seite 2Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 041/20 Abschluss der Arbeit: 9. April 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen

Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 041/20 Seite 3Inhaltsverzeichnis 1.Einleitung 42.Kurze Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe 43.Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Vermögensabgabe zur Begegnung der Corona-Krise 43.1.Einmaligkeit 53.2.Staatliche Ausnahmelage 63.3.Zweckbindung 64.Finanzielle Ausgangslage und Einschätzung der Ökonomen im März/April 2020 7

Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 041/20 Seite 41.Einleitung Der folgende Sachstand befasst sich mit der Möglichkeit der erneuten Einführung einer einmali-gen Vermögensabgabe zur teilweisen Finanzierung der Corona-Krise. Auf diese Weise könnten Wohlhabende durch einmalige Zahlungen zur Refinanzierung des Staates herangezogen werden. Nach einer kurzen rechtlichen Einordnung des Begriffs der Vermögensabgabe soll eine erste rechtliche Einschätzung über die Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gegeben werden. 2.Kurze Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe Die Vermögensabgabe wird im Grundgesetz (GG) in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich als Steuer aufgezählt.1 Eine Legaldefinition des Begriffs der Steuern enthält § 3 Abgabenordnung (AO). Dort heißt es „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Die Vermögensabgabe ist allerdings streng von der in Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG geregelten Vermögen-steuer zu trennen. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, dass sie einmalig in dem Sinne sein muss, dass sie nur anlassbezogen und nicht dauerhaft wie die Vermögensteuer erhoben werden darf. Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG unterscheidet zudem zwischen „einmaligen Vermögensabgaben“ und „zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“. Während die Aus-gleichsabgaben die Kriegslasten kompensieren sollen, sind die einmaligen Vermögensabgaben hingegen wohl nicht auf diesen Finanzierungszweck beschränkt.23.Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Vermögensabgabe zur Begegnung der Corona-Krise Dadurch, dass die Vermögensabgabe im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich nor-miert wurde, ist sie grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Dennoch stellt sich die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen sie erhoben werden kann. Hierzu gibt es in der Litera-tur wenige Stellungnahmen, die teilweise voneinander abweichende Voraussetzungen aufstellen. Einigkeit besteht darin, dass die Vermögensabgabe die Steuerschuldner nur einmal belasten darf und einmalig sein muss. Einigkeit besteht ferner dahingehend, dass die Vermögensabgabe einen besonderen, außerordentlichen Finanzbedarf des Staates voraussetzt. Wann vom Vorliegen dieser Voraussetzung ausgegangen werden kann, wird hingegen nicht einheitlich bewertet. Schemmelstellte in seinem Gutachten „Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe“, ähnlich wie Kirchhof, fest, dass eine staatliche Ausnahmelage vorliegen muss.3Wieland dagegen setzt sich in seinem 1 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand „Probleme einer Vermögensabgabe-pflicht für Steuerausländer“, WD 4 – 3000 – 003/11. 2 Die Wissenschaftlichen Dienste haben sich mit Fragestellungen zur Vermögensabgabe bereits früher befasst, vgl. zum Beispiel „Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe, WD 4 – 3000 – 176/08 und „Verfas-sungsrechtliche Grenzen einer Vermögensabgabe“, WD 4 – 3000 – 057/12. 3 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgaben aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft (StuW) 2011, S. 189, 193; Schemmel, Lothar: Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl- Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37 Oktober 1999.

Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 041/20 Seite 5Gutachten „Vermögensabgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG“ kritisch mit den Aussa-gen der beiden Autoren auseinander und sieht in einem außergewöhnlichen Finanzbedarf des Staates, eine finanzielle Sonderlage, die mit den üblichen Steuereinnahmen nicht oder nur schwer bewältigt werden kann und die den einmaligen Rückgriff auf die bestehenden Vermögen rechtfertigt.4 Eine einzigartige Situation im Sinne von Kirchhof und Schemmel fordert er nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebe keinen hinreichenden Aufschluss darüber, ob eine Vermögensabgabe eine staatliche Ausnahmelage – so wie von Schemmel und Kirchhof gefor-dert – voraussetzt oder nicht. Das BVerfG hat in einem obiter dictum5 erwähnt, dass die Verfas-sung „unter besonderen Voraussetzungen“ einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz erlaube. Das Gericht hat dafür beispielhaft „staatliche Ausnahmelagen“ genannt. Allerdings lasse sich nicht mit Sicherheit feststellt, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Erwähnung der „staatlichen Ausnahmelage“ als Rechtfertigung für den Eingriff in die Vermögenssubstanz an die Erhebung von einmaligen Vermögensabgaben i.S. von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG gedacht habe. In Betracht käme nämlich auch die Erhebung einer Vermögensteuer. Aber auch wenn die Aussage des BVerfG dergestalt zu interpretieren sei, dass die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe ge-meint ist, verblieben Zweifel, ob die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe eine staatliche Ausnahmelage voraussetzt. Aus der Aussage des BVerfG könne ebenso e contrario gefolgert wer-den, dass für eine Vermögensabgabe ohne Eingriff in die Vermögenssubstanz gerade keine beson-deren Voraussetzungen wie beispielsweise eine staatliche Ausnahmelage vorliegen müssten. Das obiter dictum vermöge dementsprechend keinen Anhaltspunkt darüber zu geben, ob die Erhe-bung einer Vermögensabgabe eine staatliche Ausnahmelage voraussetze oder nicht. Neben dem Vorliegen einer staatlichen Ausnahmelage fordern Kirchhof und Schemmel zudem die Zweckgebundenheit einer Vermögensabgabe und stellen somit eine weitere Anforderung an die Vermögensabgabe auf, welche Wieland nicht fordert. Wie bereits dargestellt, gibt es keine allgemeingültigen Voraussetzungen für die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe. Folgt man den gutachterlich herausgearbeiteten „strengeren“ An-sichten von Schemmel und Kirchhof, so ist fraglich, ob das Einführen einer Vermögensabgabe zur Begegnung der Corona-Krise die Voraussetzungen einer Vermögensabgabe, namentlich eine staat-liche Ausnahmelage und die Zweckbindung, erfüllt. Ob hierdurch auch ein Verstoß gegen das Verfassungsrecht angenommen werden kann, bleibt allerdings zweifelhaft und ist mit Zurückhal-tung zu behaupten, da es sich lediglich um in der Literatur entwickelte Anforderungen handelt, die sich nicht unmittelbar aus der Verfassung ableiten lassen. 3.1.Einmaligkeit Die Vermögensabgabe muss laut Verfassung eine einmalige Abgabe bleiben. Allerdings ist es zu-lässig, diese einmalige Abgabe über mehrere Jahre zu verteilen, wie es etwa bei den Lastenaus-gleichsabgaben im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) von 1952 praktiziert wurde. Un-zulässig wäre hingegen der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe konti-nuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen, da dies dem verfassungsrechtlichen Postulat der 4 Wieland, Joachim: Vermögensabgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG, im Auftrag der Hans-Böckler-Stif-tung und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), 2012. 5 BVerfG vom 22.06.1995, Az.: 2 BvL 37/91. (Als PDF weiterlesen: WD-4-041-20-pdf-data) Oder auch hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/691376/2feb28d7057bf918bd18254ab06d95ad/WD-4-041-20-pdf-data.pdf

 

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